Wiener Neustadt - Lokomotivfabrik und Raxwerk

 

Schon 1842 beginnt die Geschichte der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik, die bald zur Geburtsstätte vieler technischer Neuerungen im Lokomotivbau werden sollte. Eng verbunden war die Produktionsstätte vor allem mit der Semmeringbahn, auf der viele Dampfmaschinen aus Wr. Neustadt zum Einsatz kamen.



Foto: (C)2007 Schmitzberger
Das einstige Fabriksportal der Lokomotivfabrik

Nach knapp 90 Jahren fand der Betrieb mitten in der Weltwirtschaftskrise 1930 sein vorläufiges Ende, wurde aber bald darauf von der Floridsdorfer Lokomotivfabrik aufgekauft und zur Produktion von Lokomotivtendern wieder eröffnet.

Gleich nach dem Anschluß 1938 übernahm der deutsche Konzern Henschel & Sohn das Unternehmen, der sofort mit großzügigen Ausbau der Produktionsanlagen begann - die Planung hierfür lag in den Händen des
Ingenieurbüros Fiebinger. Der Standort für die neuen Anlagen wurde zwischen Werk I und Werk II der WNF gewählt.

 

Wannentender aus der Kriegsproduktion
Foto: (C) Schmitzberger
Wannentender aus der Kriegsproduktion
   
 

Relativ bald wurde eine Tochtergesellschaft ("Raxwerk") gegründet, die Rüstungsgüter herstellen sollte. Nach anderen Quellen wurde der gesamte Betrieb in "Raxwerk" umbenannt. Um die neue Rüstungssparte möglichst schnell aufzubauen, wurde der Entschluß gefaßt eine in Serbien erbeutete Halle abzutragen und in Wiener Neustadt neu zu errichten - dadurch entstand der Name "Serbenhalle". Anfangs produzierte die neue Gesellschaft nur Geschütze (Panzer – und Flakrohre).

 

Die "Serben Halle" heute

 

Im Frühjahr 1943 wurden die alliierten Bombenangriffe auf das Altreich immer heftiger, sodaß sich die Wehrmacht um ihre neueste Waffe Sorgen machen begann: das "Aggregat 4", auch bekannt als "V2".

 

 
Das "Aggregat 4" - von Hitler "Vergeltungswaffe 2 (V2)" getauft. Die Rakete mit einer Höhe von über 14 Metern wurde in Peenemünde entwickelt und vor allem zur Bombardierung von Städten wie London oder Amsterdam verwendet. Was den Stadtkern von London verwüstete, wurde auch
in Österreich hergestellt. (Foto: Modell M 1:35)

 

Bisher war die V2 nur in Peenemünde und Friedrichshafen produziert worden, nun aber suchte man einen bombensicheren Produktionsort in der Ostmark. Die Wahl viel auf das "Rax – Werk", denn die Serbenhalle, die gerade errichtet wurde, hatte eine Höhe von 30 Metern und ermöglichte somit die Fertigung der Raketen in aufrechter Position.

Im Juli 1943 sollte die Fertigung anlaufen und bis zum Jänner 1944 die Zielvorgabe von 300 Stück / Monat erreichen.

Um die hoch gesteckten Ziele zu erreichen, kamen schon ab Juli 1943 KZ Häftlinge zum Einsatz. Sie wurden in einem KZ auf dem Betriebsgelände untergebracht. Neben der Raketenfertigung selbst sollten noch Triebwerkssteststände (Deckname "Vorwerk") und drei Raketenlager (Deckname "Isabella", "Maria" und "Lina") entstehen.

 

Schon am 13. August bombardierte die US Airforce erstmals die benachbarten WNF und traf dabei auch die Raketenproduktion des "Rax – Werkes". Die US Airforce hatte weder eine Ahnung von der Art der Produktion, noch wurde V2 Fertigung ernsthaft beeinträchtigt - aber die deutsche Rüstungsindustrie war alarmiert.

4 Tage später erfolgte der schwere Bombenangriff auf Peenemünde und man begann mit aller Kraft ein bombensichere Anlagen für die V2 zu suchen.

 

Die verschiedenen Werke sollten folgendermaßen verlagert werden:

 

Produktion:

Nordhausen (D) – Deckname "Mittelwerk"

Triebwerksteststände:

Zipf – Deckname "Schlier"

Sauerstoffproduktion:

Zipf – Deckname "Schlier"

Entwicklung:

Ebensee – Deckname "Zement"

 

Nachdem das Rax Werk im Oktober 1943 erneut bombardiert worden war, kam das Ende der Produktion sehr rasch – lang bevor sie richtig angelaufen war. Die meisten KZ Häftlinge wurden nach Zipf, Ebensee oder Nordhausen überstellt und die Maschinen verlagert.

 

Zustand heute

Nach dem Krieg wurde Produktion in der Wiener Neustädter Lokomotivfabrik zwar wieder aufgenommen, 1965 erfolgte jedoch die endgültige Stillegung.

Das ursprüngliche Raxwerk wurde bei Bombenangriffen fast vollständig zerstört. Nur ein Wachbunker und die Lehrwerkstatt (heute Comicmuseum) blieben erhalten. Die "Serben Halle" überstand den Krieg und wird heute als Lagerhalle verwendet.

 

Der Wachbunker auf dem einstigen Areal des Raxwerkes steht heute inmitten moderner Geschäfte und Parkplatzanlagen. Er stellt schon fast ein kleines Mahnmal dar – vielleicht ein Grund, warum er immer noch an seinem Platz steht – eben ein richtiges Denkmal.

Von der Lokomotivfabrik blieben neben dem Eingangsportal nur die Direktionsvilla und das Reparaturwerk (heute Sportartikelhandel) erhalten.

 

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Quellen und weiterführende Literatur
- A. Stadler; Das industrielle Erbe Niederösterreichs
- Diverse Autoren; Österreichische Industriegeschichte 1700-1848
- Diverse Autoren; Österreichische Industriegeschichte 1848-1955

 

 

 

Text und Fotos: Schmitzberger

 

 

 

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