Langenstein - Konzentrationslager Gusen I

 

(C) 2006 Josef B.

Foto: Das ehemalige Torhaus des KZ Gusen I

 

Im Ortsteil Gusen der Gemeinde Langenstein, 4,5 km westlich von Mauthausen begannen im Dezember 1939 Häftlinge des Konzentrationslagers Mauthausen mit dem Aufbau eines Barackenlagers mit der Bezeichnung "KZ Mauthausen/Unterkunft Gusen". Als Baugelände für dieses Lager wurde von der SS-Firma DEST (Deutsche Erd- und Steinwerke G.m.b.H.) das Gelände zwischen den "Kastenhofer"- und "Gusener" Granitsteinbrüchen sowie der Straße zwischen Mauthausen und St. Georgen an der Gusen ausgewählt.

(C) 2006 Josef B.
Foto: Gebäude des ehemaligen KZ Gusen I

Im März 1940 wurden der mit Strom geladene Stacheldrahtzaun um das hinkünftige Lagergelände und die ersten drei Häftlingsbaracken sowie einige Gebäude für die SS-Mannschaften fertig. Polnische Häftlinge waren die ersten Insassen des Lagers, sie wurden zum weiteren Lagerausbau und zu Steinbrucharbeiten eingesetzt. Aus der "Unterkunft Gusen" entstand nun ein Nebenlager des KZ Mauthausen und wurde als Lager der "Stufe III" eingeordnet, dies bedeutete:

Stufe I: Für alle wenig belasteten und unbedingt besserungsfähigen Schutzhäftlinge,
Stufe II: Für schwer belastete jedoch noch erziehbare und besserungsfähige Schutzhäftlinge,
Stufe III: Für schwer belastete, unverbesserliche auch gleichzeitig kriminell vorbestrafte und asoziale, das heißt kaum noch erziehbare Schutzhäftlinge.

Anfang 1941 wurde ein Krematorium errichtet und bis 1943 entstanden 32 Holzbaracken, auch Blöcke genannt. Davon dienten die Blöcke 1 - 24 als Häftlingsunterkünfte, 25 - 26 als Werkstätten und Magazine und 27 - 32 als Krankenrevier. Davon waren in den Blöcken 27 - 29 eine Chirurgie untergebracht, wo auch medizinische Versuche an Gefangenen durchgeführt wurden, 30 und 32 waren "normale" Krankenbaracken und Block 31 war nach Überlieferung die "Unterkunft der Vernichtung" - kein dort eingelieferter Häftling kam lebend zurück...

Die Baracken waren Normbauten von 30 m Länge und 8 m Breite, an der Stirnseite einer Barackenreihe standen lange, schmale Holzhütten, die als Latrinen, Waschräume und zur Aufbewahrung von Leichen dienten. Östlich der Häftlingsbaracken war der Appelplatz und zur Straßenseite hin als Lagereingang das massiv gebaute mit Granit verkleidete Torhaus, auch "Jourhaus" genannt. Die mit Stacheldraht und 8 Wachtürmen gesicherte rechteckige Fläche im Ausmaß von ca. 350 x 150 m des Häftlingslagers wurde ab 1942 außerhalb des Zaunes, in ca. 3 m Abstand zu diesem, mit einer 2,20 m hohen Natursteinmauer umgeben. Zwischen der Südseite dieser Mauer und der Straße von Mauthausen nach St. Georgen wurden ein Küchengebäude, Bauten für die Kommandantur und Verwaltung, Unterkünfte für die SS-Wachmannschaften, SS-Kantine und Revier, ein SS-Führerheim sowie die Bauleitungsbaracke errichtet.

Bedingt durch die vorhin beschriebene Lagerstufe III war das Konzentrationslager Mauthausen mit dem Nebenlager Gusen bis etwa Ende 1942 als Vorläufer der späteren Vernichtungslager anzusehen. Für die eingelieferten Häftlinge bestand nur eine geringe Hoffnung, das Lager lebend zu verlassen - Vernichtung durch menschenunwürdige Schwerarbeit in den Steinbrüchen lautete ihr Urteil... . Mit der Neuinstallierung von Vernichtungslagern in den besetzten Gebieten im Osten und die Einrichtung von immer mehr Außen- bzw. Nebenlagern veränderte sich die Funktion von Mauthausen und Gusen zur Funktion eines Stammlagers. Durch die ständige Ausweitung der Kriegsereignisse wurden immer mehr Arbeitskräfte aus den Rüstungswerken zu den Waffen gerufen und diese Lücken am Arbeitsmarkt versuchte man nun, neben Einsatz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeitern mit Häftlingen aus den Konzentrationslagern zu füllen. Die Aufgabe des KL Mauthausen und Gusen bestand nun zunehmend in der Aufgabe, den ständig steigenden Bedarf an Arbeitskräften der Rüstungsindustrie mit entsprechender Zuteilung von Häftlingen an die Nebenlager bei den Werken zu decken. Arbeitsunfähige und kranke Häftlinge wurden von den Außenlagern wieder ins Krankenlager des Stammlagers rücküberstellt und sie hatten wenig Überlebenschancen...

War die bisherige Hauptbeschäftigung der Häftlinge die Arbeit in den Granitbrüchen, neben der Bearbeitung des harten Gesteins zu Pflastersteinen und Verkleidungsblöcken- und Platten für Renommierbauten errichtete die DEST auch eine große Schotterbrechanlage, kamen ab Herbst 1943 Arbeiten für Rüstungsfirmen dazu. So wurden 2 Steingebäude und im Winter 1943/44 weitere 4 Großbaracken (A - D) als Unterkünfte für als Facharbeiter ausgebildete Häftlinge fertiggestellt.

Ab 1943 werden nördlich der Häftlingsbaracken Hallen für die Steyr-Daimler-Puch AG gebaut bzw. bestehende Steinmetz-Baracken für die Rüstungsfertigung adaptiert. Dort werden nun von den KZ-Insassen unter dem Tarnnamen "Georgenmühle I, II, III und IV" Waffenteile für Karabiner, Sturmgewehre, Maschinenpistolen und Bauteile für Flugzeugmotore hergestellt.

Ebenso ab Sommer 1943 errichte die Messerschmitt AG aus Regensburg anschließend an die Betriebsstätten der SDP einige Hallen zur Fertigung von Bauteilen und Rümpfen für das Jagdflugzeug Messerschmitt Bf 109.

Die ständigen Luftangriffe der Alliierten auf die deutschen Flugzeugwerke zwangen zur Verlagerung der Fertigungsanlagen in bombengeschützte Stollenanlagen. Ein solcher Untertageverlagerungsbetrieb zur Produktion des ersten turbinengetriebenen Jagdflugzeuges der Welt, der Me 262, sollte auch in St. Georgen an der Gusen entstehen. Für die Bauarbeiten an der über 50.000 m² umfassenden Stollenanlage und der später darin zu erfolgenden Herstellung der Düsenjäger war der Einsatz von KZ-Häftlingen vorgesehen. Zur Unterbringung der benötigten Häftlinge wurde Ende 1943, Anfang 1944 westlich des bestehenden Lagers mit dem Bau eines weiteren KZ-Lagers begonnen. Das alte Lager bekam nun die Bezeichnung Gusen I und das ab 9. März 1944 bezogene neue Lager hieß nun Gusen II. Die Häftlinge aus Gusen II bauten vorgenannte Stollenanlage mit dem Decknamen "Bergkristall" und begannen noch Anfang 1945 mit der Produktion von Me 262 Düsenjägern.

Im Frühjahr 1944 begann man aber auch in den Berghang unmittelbar hinter dem Lager Gusen I und den Fertigungsstätten der Rüstungsindustrie eine Stollenanlage mit der Bezeichnung "Kellerbau" in den Granitfels zu sprengen. Unter Umgehung sämtlicher Sicherheitsmaßnahmen stellten die Häftlinge rund 7 km Stollen her, fast täglich gab es Schwerverletzte und Tote. Diese Untertageanlage sollte die Produktion von SDP, der Messerschmitt AG und ein Forschungsinstitut der Technischen Hochschule Wien aufnehmen. Das Stollensystem wurde aber nicht fertiggestellt, nur auf 12.000 m² nahmen die SDP noch die Waffenproduktion auf und in einem kleinen Teil wurden vom Forschungsinstitut der TH Wien einige "aerodynamische Maschinen" (Windkanal ?) aufgestellt und bei Kriegsende etliche Versuchsmodelle von Raketen-Waffen vorgefunden.

Knapp vor Kriegsende, am 3. Mai 1945 wurde die Fertigung in den Stollenanlagen von "Bergkristall" und "Kellerbau" eingestellt und die Angehörigen der SS und zivile Führungskräfte der Rüstungsfirmen setzten sich nach Westen ab. Am 5. Mai 1945 wurden die Lager Gusen I und II sowie Mauthausen von amerikanischen Truppen befreit. Der Höchststand an Häftlingen betrug im Lager Gusen I 11.480 Personen und in Gusen II 12.537 Personen.

In der Zeit vom 25.6.1940 bis 4.5.1945 wurden den beiden Lagern Gusen I und II insgesamt 67.667 Häftlinge zugeteilt,

im gleichen Zeitraum wurden davon in andere Nebenlager oder KZ's überstellt ca. - 8.500 Häftlinge.

Es verbleiben 59.167 Häftlinge.

Davon wurden bzw. sind:

a) Entlassen ca. 500 Häftlinge

b) Befreit von US-Truppen 20.487 Häftlinge

c) Verstorben oder ermordet 35.725 Häftlinge

d) Schicksal unbekannt 1.655 Häftlinge

Die letzte offizielle Häftlings-Standesmeldung stammt vom 4.5.1945. Nach der Befreiung der Lager Gusen starben weitere ca. 2.000 ehemalige Gefangene an div. Krankheiten und allgemeiner Körperschwäche.

Im Gedenken an die tausenden Opfer von Gusen I und II...

Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen.
Das kann man gar nicht wollen.
Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen.
Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart.
Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren.

Richard von Weizsäcker

Quellen

Datenbank aus www.keom.de "Deutschland ein Denkmal" - Projekt zur Erforschung der NS-Lager und Haftanstalten sowie der Orte des Massenmordes 1933 - 1945.

Gedenkstätte Mauthausen http://www.mauthausen-memorial.gv.at/

Landesgeschichte O.Ö.: www.ooe.gv.at/

KZ Mauthausen-GUSEN Info-Pages http://linz.orf.at/orf/gusen/

Marsalek Hans, Die Geschichte des Konzentrationslagers Mauthausen, Herausg. Österr. Lagergemeinschaft Mauthausen, Wien 1980

Marsalek Hans, Vorraum zur Hölle - GUSEN - ein Nebenlager des KZ Mauthausen, Herausg. Österr. Lagergemeinschaft Mauthausen, Wien 1987

 

 

 

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